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  • Jirka A. Bacik

Auch Harvard-Studien können sch*** sein: Prezi vs. PowerPoint

Kennen Sie Prezi? Das ist ein gutes und interessantes Präsentationstool, das PowerPoint den Rang ablaufen will. Zu diesem Zweck hausiert Prezi mit einer Harvard-Studie, die nachweisen soll, dass Prezi eindeutig das bessere Tool ist. Vielleicht ist Prezi ja wirklich toller. Aber nicht aus den in der Studie genannten Gründen.

ich habe keinen Favoriten oder Sponsor. Die Studie übrigens schon; sie wurde von von Prezi finanziell unterstützt. Aber das ist relativ egal. Mir selbst ist im übrigen ziemlich Wurst, ob PowerPoint oder Prezi das bessere Präsentationsprogramm ist. Ich glaube keines, denn man kann gute und schlechte Präsentationen mit so ziemlich jeder einschlägigen Software machen.


Der Studie nach sind Prezi und PowerPoint aber vollkommen unterschiedlich geartete Anwendungen:

  • Die Studie versteht Prezi als ein "zoomable user interface" im Stil von Google Maps oder modernen Touchscreens. Das ist schlichtweg falsch: Prezi arbeitet ebenfalls mit Slides. Und mit Effekten, die wie Zooms aussehen. Das geht übrigens auch mit PowerPoint (neuerdings gibt es sogar eigens ein Feature dafür).

  • PowerPoint wird hingegen als "lineares Slide-Format" beschrieben. Das stimmt auch nicht. Man kann - genau wie in Prezi - Links verwenden, nicht-sequentiell navigieren usw. Mit ein bisschen Ahnung mache ich in PPT alles, was auch in Prezi geht.

Damit sind schon mal einige Prämissen der Studie wackelig.


Methodisch steht die Studie dann aber erstmal wieder ganz sauber da. Zumindest, wenn es um das Ausschalten von "Störgrößen" geht, die das Ergebnis zugunsten des einen oder anderen Tools verfälschen könnten. Das wird auch lang und breit beschrieben (und so gut wie allen Arbeiten, die es sonst so gibt, wird methodische Unzulänglichkeit unterstellt).


Ok. Man hat habt "Störgrößen" ausgeschaltet. Aber erstens ist man mit den Prämissen nicht so zimperlich. Und zweitens scheint man den realen Anwendungkontext nur aus Zeitschriften oder dem Fernsehen zu kennen: Studienteilnehmer waren irgendwelche (!) Leute, die so tun sollten, als wären sie entweder der CEO von Firma X, die Firma Y einen großen Deal vorschlägt, oder der Chef von Firma Y, also der Firma, die den Deal kaufen sollte. In dieser simulierten Situation sollten die Studienteilnehmer die Wirksamkeit von Präsentationssoftware beurteilen.


Die "CEOs" sollten dann beurteilen, wie

  • organisiert

  • mitreißend

  • überzeugend und

  • effektiv

die jeweiligen Präsentationen waren. Ja, ganz genau so läuft es in der Geschäftswelt, ihr lieben Harvard-Forscher: Inhalte, Argumente und Kennzahlen sind den Tycoons dieser Welt scheißegal, solange die Präsentation richtig bunt ist, flimmert und zoomt. So kommen die zu ihrem Geld.


Nebenbei werden auch Sample-Größen und Skalenniveaus ziemlich schlampig behandelt: Bei um die 100 Teilnehmern Ergebnisse bis auf die zweite Nachkommastelle oder arithmetische Mittelwerte aus ordinal skalierten Daten zu berechnen, garantiert jedem Teilnehmer eines Statistik-Grundkurses schlechte Noten, denn im Fall von ordinal skalierten Daten ist ein arithmetisches Mittel kein wirklich aussagekräftiger Wert (da kann man zentrale Tendenzen gut als Median bzw. mit Perzentilen darstellen). In einer Harvard-Studie geht das aber in Ordnung.


In der "Sekundärliteratur' werden diese (ohnehin schon wackeligen) Ergebnisse dann noch krasser verwurstet: Dann heißt es z.B , dass Prezi 21,89% überzeugender gewertet wurde als PowerPoint - was in späteren Publikationen (die leider nicht mehr im Netz sind, oder? Ich danke allen Lesern für Fundstellen) noch weiter vereinfacht wurde - und zwar im Sinne von: 'Prezi ist 21.89% überzeugender als PPT'. Damit wird das Skalenniveau noch weiter strapaziert, nämlich im Sinne von "4 Grad Celsius ist doppelt so warm wie 2 Grad" - was totaler Quatsch ist, denn der Nullpunkt der Temperatur liegt halt mal nicht bei 0, sondern bei ungefähr -273 Grad Celsius.


Aber zurück zur Studie selbst: Ich habe gerade selbst ein ähnliches Experiment hinter mir: Ich sollte eine Präsentation aufbereiten: Da ging es um einen Teil der Strategie einer großen internationalen Organisation, der einem wichtigen Entscheidungsgremium vorgestellt werden sollte. Die Ursprungsdatei war bunt und flashy; das Ergebnis strukturiert und eher "langweilig". Die Reaktion in der Chefetage war ziemlich eindeutig: "Endlich sieht man in der Präsentation das, was wir ausdrücken wollen - und damit können wir uns mit unseren Boards zielgerichtet verständigen." Einer der neuen Mitarbeiter, eine sehr kluge und relativ medienerfahrene junge Person, die aber noch wenig über die strategischen Themen der Organisation weiß, fand hingegen die bunte Ursprungspräsentation viel toller. Das sagt so einiges über den Versuchsaufbau der Harvard-Studie aus.


Also lieber mal weniger bis zur fünften Kommastelle rechnen, und statt dessen den Versuchsaufbau realistisch gestalten. Dann kommen auch vernünftige Ergebnisse raus.


Wer weiß, wie er Informationen richtig aufbereitet, kommt sowohl mit Prezi als auch mit PowerPoint gut (oder schlecht) zurecht. Da kommt es eher auf Präferenzen an, als auf die Features irgendwelcher Tools. Ich selbst habe schon geniale Präsentationen in viel simpleren Formaten gesehen.

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