Nicht unbedingt. Hier sollte man als Mediennutzer unterscheiden können.
Nur ein Beispiel: Das Handelsblatt titelt am 8. Juli 2018: "Peinliche Panne für Heckler & Koch: Neue Dienstwaffe fällt bei Polizeitest durch". Wie man liest, funktioniert die neue Dienstwaffe der Berliner Polizei nicht so richtig. Und das, nachdem unlängst schon das Sturmgewähr (sic!) G36 für negative Schlagzeilen gesorgt hatte (nachlesen). Eine Riesensauerei, oder?
Wörtlich zu lesen ist weiter: "Der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Bodo Pfalzgraf, sagte dem Blatt: 'Glücklicherweise haben die Kollegen die Mängel erkannt, sonst hätten wir die Pannen-Pistolen so gekauft.'". Der Gewerkschaftsvorsitzende spricht also von wörtlich von "Pannen-Pistolen". Kaum zu glauben. Oder er ist vielleicht ein infiltrierter BILD-Redakteur? Wir kommen gleich darauf zurück.
Nüchtern betrachtet ist die Nachricht dann leider gar nicht so spektakulär. Oder jedenfalls anders als die das Handelsblatt vermuten lässt: "...hätten wir die Pannen-Pistolen so gekauft..." - wir führen den Satz weiter: ..., dann wären wir ja auch nicht zu retten gewesen. Denn kein Kunde im B2B-Umfeld verlässt sich auf die Qualitätsversprechen von Zulieferern - und schon gleich gar nicht, wenn es um Waffen geht. Bevor es richtig losgeht, gibt es Abnahmen auf verschiedenen Ebenen, Präsentationen, Prototypen, Pflichtenhefte und so weiter. Es geht hier nicht um die gutgläubige Oma, die auf einer Kaffeefahrt eine Heizdecke kauft. Sondern um Profis, die bei Profis kaufen.
So gesehen, haben also höchstwahrscheinlich beide Seiten etwas vergurkt. Was auch folgende Tatsache nahe legt: Den Prozess um das Sturmgewehr G36 hat nämlich Heckler & Koch gewonnen. Gegen die Bundesregierung. Darüber schreibt das geschätzte Handelsblatt kein einziges Wort. Journalistisch nicht wirklich sauber, denn so eine Sache wäre schon der Erwähnung wert gewesen.
Dem Interesse der Öffentlichkeit wäre also dienlich, wenn aufgeklärt würde, was genau da schief gelaufen ist. Waren die Anforderungen unvollständig dokumentiert? War der Zulieferer in seinen Aussagen unklar? Waren zu viel Bürokratie oder zu wenig Sachverstand im Spiel? Was sind die Folgen? Pustekuchen. Nur die Nachricht über die "peinliche Pleite" für ein Waffenunternehmen. Wobei am Rande noch zu klären wäre, ob (1) einem Waffenunternehmen überhaupt etwas peinlich sein kann und ob (2) das Attribut "peinlich" vielleicht eher Angelegenheiten aus der Kategorie 'Nippelblitzer' vorbehalten bleiben sollte.
So viel zur Geschichte an sich. Nun zu den Quellen des renommierten Handelsblatts: Als einzige (!) Quelle des Beitrags wird die BAMS (BILD am Sonntag) genannt. Und das ist für mich die eigentliche Nachricht: Ein angesehenes Wirtschaftsblatt nimmt eine völlig undifferenzierte Nachricht der Boulevardpresse als Basis für eine eigene Meldung her - ohne diese ansatzweise zu hinterfragen. Und das außerdem noch bei einer Nachricht, die einen wichtigen Player der deutschen Wirtschaft betrifft, über die Wirtschaftsblätter doch in erster Linie seriös berichten sollten.
Also: Nicht nur der Anbieter, der eine Nachricht publiziert, ist der Betrachtung wert. Sondern auch die Quellen, auf die sich selbiger bezieht. Das Label "Seriöse Zeitung" ist längst nicht mehr Garant für die Qualität von Nachrichten. Heutzutage braucht eben jeder Klicks.
Und das bedeutet, dass man als Leser heute immer gefordert ist, den Informations- und Wahrheitsgehalt jeder (!) Nachricht zu hinterfragen. Egal von wem die Nachricht ist.
Und wenn die renommierte Presse schlampig wird, dann kann sie sich auch immer weniger gegen ihre Verunglimpfung als "Lügenpresse" wehren. Das ist eine sehr gefährliche Tendenz.
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